Üben für den Ernstfall

Lankow • Das Hochhaus in der Plöner Straße liegt in Trümmern. Fünf Personen werden vermisst. Drei davon sind unter den Betonmassen verschüttet und können sich nicht selbst befreien. Zwei Menschen sind in Panik, Verwirrung und Schock geflohen. Dieses albtraumhafte Szenario war glücklichweise nur eine Übung, der sich am 12. Mai die Einsatzkräfte und Helfer des Rettungshundestaffel Nordelbe e.V., der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks (THW) und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) stellen mussten.

„Ein Szenario, bei dem so viele Organisationen zusammenspielen müssen, ist natürlich nicht sehr alltäglich. Trotzdem – oder gerade deswegen – muss so etwas geübt werden”, erklärt Stefan Krohn von der Schweriner Berufsfeuerwehr die Hintergründe der Übung. „Ein Abrisshaus wie das von der WGS in Lankow ist dafür natürlich ideal”, fügt er hinzu. Simuliert wird ein Einsturz – die Feuerwehren eilen herbei. Vor Ort stellen die Kameraden fest, dass sie mit ihren Mitteln alleine nicht weiterkommen und alarmieren die Rettungshundestaffel, das THW und das DRK.

Mit Spürnase und Empathie Leben retten
Jetzt ist Shira (Foto, oben) gefragt. Die knapp zehnjährige Retriever-Hündin ist zusammen mit ihrer Führerin Birgit Katzer eines der zehn Teams der Rettungshundestaffel, die heute an der Übung teilnehmen. Mit ihrer feinen Nase nimmt sie auch noch den leichtesten Hauch von Menschengeruch wahr und kann sogar zwischen dem dichten Betonstaub eines eingestürzten Hauses die Spur einer verschütteten Person aufnehmen. Ihr Frauchen gibt die Richtung vor, in der Shira suchen muss. Gleichzeitig merkt der Hund, wenn es am Einsatzort gefährlich wird und gibt dies über seine Körpersprache zu verstehen. „Deshalb können nur ich und Shira zusammenarbeiten, weil wir gelernt haben, die Körpersprache des anderen zu lesen und zu verstehen”, berichtet Birgit Katzer. Zwei bis drei Jahre Grundausbildung und zahlreiche Zusatzqualifikationen sind notwendig, damit aus Hund und Hundeführer eine funktionierende Einheit wird – und das alles ehrenamtlich. „Unsere Hundeführer sind alle Privatpersonen, die sich in unserem Verein engagieren”, ergänzt Fred Schmedemann, Vorsitzender der Rettungshundestaffel.

Einmal die andere Seite erleben
Für die Rettungshunde läuft die Übung völlig problemlos. 30 Sekunden braucht Shira, dann hat sie die Witterung aufgenommen. Und schon kommt von ihr das Signal: Tief aus den Trümmern ertönt ein Bellen – das Zeichen dafür, dass der Rettungshund einen Menschen gefunden hat. Die mutigen Freiwilligen, die heute die Opfer spielen, stehen sonst auf der anderen Seite. Frederika Scheifler (19) und Kim Müggenburg (18) sind Jugendrotkreuzler (zweites Foto v.o.). Neben der Schule lernen sie ehrenamtlich, Menschen in Not zu retten. Die heutige Übung war nicht ihre erste. „Wir hatten beide schon solche Probeeinsätze. Es ist ganz gut, so etwas einmal mitgemacht zu haben, damit man weiß, wie sich die Opfer fühlen”, sagt Frederika Scheifler. Obwohl es nur eine Übung war, sei es ein mulmiges Gefühl gewesen. „Man bekommt nichts mit und ständig regnet Dreck auf einen herunter”, so Kim Müggenburg.

Hier laufen die Fäden zusammen
Da kommt die schnüffelnde Hundeschnauze von Shira den „Opfern” wie eine echte Erlösung vor. Doch noch ist niemand gerettet, denn nach dem Aufspüren übergibt die Hundestaffel an das THW, das mit seinen technischen Möglichkeiten eine sichere Bergung gewährleisten kann. Den Überblick über alle Maßnahmen an der Einsatzstelle haben Michael Goldschmidt und Thomas Recht (drittes Foto v.o.). Sie sitzen in der sogenannten Zugbefehlsstelle. Über Funk erhalten sie alle Anfragen und Meldungen ihrer Kollegen. Anhand dessen skizzieren sie einen Plan von der Einsatzstelle und können die wichtigen Informationen an den Zugführer und die Einsatzleiter weitergeben. Gleichzeitig müssen sie über die entsprechenden Maßnahmen entscheiden. Dabei lastet aber auch ein großer Druck auf den beiden jungen Männern. „Entscheidungen müssen innerhalb von zehn Sekunden getroffen werden”, so Michael Goldschmidt. Gleichzeitig wird alles, was passiert – genauso wie im Ernstfall – protokolliert. „Wir erstellen immer ganz konkrete Einsatzlageberichte. Dieses Dokumentationsmaterial ist für die Nachbereitung sehr wichtig.”

Potenzial zur Verbesserung
Am Ende des Tages sind die Einsatzkräfte mit dem Verlauf der Übung zufrieden. „Im Grunde hat alles geklappt, wie wir es uns vorgestellt haben. Die einzige Schwierigkeit, die zu erwarten war, ist die Kommunikation. Bei so einer Zusammenarbeit muss eine einheitliche Sprache gefunden werden. Da gab es noch ein paar Ecken und Kanten, aber wir haben viel daraus gelernt”, fasst Stefan Krohn zusammen.

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